Durst 12/2021

Hauptgang 15 Wie meinen Sie das? Einerseits braucht es eine Strukturbereinigung, denn in der Schweiz haben wir sowohl in der Hotellerie als auch in der Gastronomie ein Überangebot. Zweitens gibt es immer noch zu viele Arbeitgeber, denen es gegenüber den An­ Urs Masshardt, Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union: Viele Gastronomen und Hoteliers sagen, derzeit sei ihr grösstes Problem, genügend Arbeitskräfte zu finden. Wie stufen Sie die Situation ein? Urs Masshardt: Was den Fachkräftemangel betrifft, stehen wir erst amAnfang. Die Reduk­ tion der Lehrstellen wird noch weit gravieren­ dere Folgen haben. Es mangelt aber auch an ungelernten Mitarbeitenden. Am grössten ist der Rückgang bei den Restaurantfachleuten, und geografisch gesehen ist die Romandie be­ sonders stark betroffen. Ist diese unerfreuliche Situation eine Folge der Corona-Pandemie, welche die Branche besonders schwer trifft? Nur zum Teil. Wir haben einerseits auch ein strukturelles Problem, das sich im Rückgang der Lehrstellen widerspiegelt. Andererseits ge­ niesst die Branche bei jungen Leuten und deren Eltern nur einen geringen Stellenwert. Kommt hinzu, dass wir noch immer eine Tieflohn­ branche sind. All dies kumuliert sich zurzeit. Nach der Lehre können die Löhne mit denen in anderen Branchen durchaus mithalten. Ja, aber schon nach drei, vier Jahren sehen junge Angestellte in der Gastronomie und der Hotellerie, dass ihre Kollegen, die ein Hand­ werk gelernt haben, finanziell weiterkommen. Sie jedoch bleiben meistens auf dem Mindest­ lohn sitzen. Das erzeugt Frustration und die Absicht, die Branche zu wechseln. Dann kam Corona erschwerend hinzu, denn die Lock­ downs schafften Unsicherheit und führten zu einer Abwanderung der Mitarbeitenden Wohin sind diese gegangen? Viele hauptsächlich ungelernte Mitarbeitende aus demAusland sind in ihre Heimatländer zu­ rückgekehrt. Die Fachkräfte suchen Alternati­ ven in Spitälern oder Heimen, es zieht sie aber auch zur Polizei, zu Sicherheitsfirmen und Bus­ betrieben. Leider stelle ich fest, dass oft die guten Mitarbeitenden abwandern. Viele mögen es nicht gerne hören, aber der Personalman­ gel ist zum Teil auch hausgemacht. «Das Problem ist auch hausgemacht» Urs Masshardt nimmt kein Blatt vor den Mund. Für den Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union ist der Mangel an gelernten und ungelernten Mitarbeitenden nicht bloss eine Folge von Corona, sondern «auch hausgemacht». Im Gespräch mit DURST sagt er, warum und wohin das Personal abwandert. Er erwähnt allerdings auch Punkte, die ihn positiv stimmen. gestellten an Wertschätzung mangelt. Das sind die, welche seit Ausbruch von Corona die Leu­ te entlassen und die Kurzarbeit zu wenig ge­ nutzt haben. Auf der anderen Seite gibt es sehr wohl Betriebe, die den Personalmangel kaum spüren. Das sind die, welche ihre Angestellten wertschätzen und nicht immer nur den Min­ destlohn bezahlen. Positiv stimmt mich auch, dass wir an der Hotelfachschule Luzern einen massiven Zugang anAuszubildenden verzeich­ nen. Es gibt sehr wohl junge Leute, die an die Branche glauben und sich weiterbilden. Trotzdem sind Mitarbeitende Mangelware. Was wird jetzt konkret unternommen, um kurzfristig Leute zu finden? Da gibt es die unterschiedlichsten Aktivitäten. Beispielsweise werden Leute von Kreuzfahrt­ schiffen in die Schweiz geholt. Oder Luzerner Hoteliers gehen nach Portugal oder in Länder Osteuropas, um dort vor Ort Mitarbeitende an­ zuheuern und sie gleich mit in die Zentral­ schweiz zu nehmen. Dabei handelt es sich na­ türlich fast immer um Ungelernte. Ist es schlimm, wenn jetzt der Anteil ungelernter Mitarbeiter zunimmt? Das kann man so pauschal nicht sagen. Der Mix zwischen Gelernten und Ungelernten muss stimmen. Ungelernte können von den Fach­ kräften gefördert werden, und auch Prakti­ kanten sind okay – allerdings nur, wenn man ihnen eine Ausbildung bietet und sie nicht bloss als günstige Arbeitskräfte sieht. «Es gibt noch junge Leute, die an die Branche glauben und sich weiterbilden.» Urs Masshardt Urs Masshardt ist Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union. Die Standesorganisation setzt sich seit 135 Jahren für das Personal ein, sie ist aber keine Gewerkschaft und betreibt keine Parteipolitik. Der Berner kennt die Branche auch aus Arbeitgebersicht: Er amtet als Verwaltungsratspräsident der Hotel Montana AG, die das der Hotel & Gastro Union gehörende Art Deco Hotel Montana in Luzern betreibt. Last but not least ist Urs Masshardt Stiftungsratspräsident der Hotelfachschule Luzern. www.hotelgastrounion.ch UR S MA S SH A RD T

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