Durst 10/2020
28 Markt & Trends Kolumne Claudio Del Principe schreibt über Ethno-Restaurants Kulinarische Vielfalt erweitert Horizont Nirgends taucht man so schnell in ferne Länder ein wie beim Besuch von Ethno-Restaurants. Dabei ist die Wahl des Lokals natürlich auch hier von entscheidender Bedeutung: Ein familiengeführter Betrieb mit einfacher Hausmannskost verspricht echte kulturelle und kulinarische Horizonterweiterung. V or bald dreissig Jahren habe ich mich in den knusprigsten und dünnsten aller mir bekannten belegten Fladen verliebt: in die türkische Lahmacun. Das war in Alanya. In einer Imbissbude von erschrecken- der Bescheidenheit. Mit mehr Fliegen als Gäs- ten an den drei Tischen. Am Bestelltresen gab es nichts zu sehen als einen Backofen und fluffige Teigbällchen, die unter einem Leintuch Mittagsschlaf hielten. Wir deuteten auf einen der schnauzbärtigen Männer mit Monobraue, der in etwas biss, das er zwischen seinen Hän- den hielt. Ich sagte nur: «Iki tane, lütfen.» Der beflaumte Milchbubi hob nur kurz sein Kinn und machte sich ans Werk. ImNu hatte er zwei Teiglinge zu hauchdünnen Fladen ausge- rollt und diese knapp mit einer Hackfleisch- sauce bestrichen. Einen Augenblick später hol- te er die dampfende, mit dicken dunklen Blasen übersäte Lahmacun aus dem Ofen. Er streute ungefragt Pul Biber Chiliflocken darüber, setz- te einen Zitronenschnitz darauf und liess uns essen. Einkassieren interessierte ihn vorerst nicht. Er wusste, dass wir nach der ersten Por- tion noch weitere bestellen würden! Habe ich Sie gluschtig gemacht? Dann probieren Sie doch das authentische Lahmacun-Rezept auf dieser DURST-Doppelseite aus. Authentische Konzepte machen Freude Zu meinem grossen kulinarischen Glück gibt es in Basel das Restaurant Pinar. Mein liebstes für anatolische Spezialitäten. Alles dort ist gut. Die herzliche Familie, die es betreibt, und al- les, was an authentischer Hausmannskost aus der offenen Küche kommt. Die Lahmacun ge- hört selbstredend zu den besten, die man nördlich von Ankara serviert bekommt. Eines der Geheimnisse besteht darin, den Teig nicht zu überladen. Dönerbuden, die ein gefühltes Kilo Rinderhack auf wagenradgrosse Fladen klatschen, sollten von der Konföderation für kulinarischen Anstand geschlossen werden. In Zürich ist das türkische Gül Restoran gerade sehr angesagt. Sehr authentisch, aber auch sehr zeitgemäss. Am Holzofen steht die junge Spitzenköchin Elif Oskan. Das wichtigste Krite- rium für gute Qualität jeder ethnischen Küche ist tatsächlich in erster Linie die Herkunft der Betreiber. Wer die Gerichte seines Landes von Kind auf kennt und sie im besten Fall authen- tisch nach Grossmutterart oder leicht ent- staubt serviert, hat schon ganz viel richtig ge- macht. Der Trend zeigt in die richtige Richtung: Anstatt oberflächliches Marketing oder anony- me Folklore machen immer mehr authenti- sche Konzepte Freude. Zum Beispiel auch in der japanischen Gastronomie, wo das inflatio- näre Sushi langsam Konkurrenz von der popu- lären Izakaya-Küche bekommt.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx