Durst 09/2020
28 Markt & Trends Kolumne Claudio Del Principe schreibt über das Design von Restaurants Essen im passenden Rahmen Wie wir Speisen und Getränke wahrnehmen, wird von vielen Faktoren beeinflusst. Auch von der räumlichen Ambiance. Es gibt Lokale, die hat man unheimlich liebgewonnen. Wehe, jemand rüttelt an der Einrichtung. Andere besucht man, um aufs Neue beeindruckt zu werden. In besten Fall hinterlässt das Erlebnis eine bleibende Erinnerung. E in kulinarischer Entdeckungstrip in eine grosse Metropole ist immer sehr in- spirierend, um neue oder einzigartige Gastro- und Einrichtungskonzepte zu analysie- ren. London zum Beispiel, Barcelona oder Madrid. In wenigen Tagen konnte ich kürzlich in der spanischen Hauptstadt meinen Horizont auf bemerkenswerte Weise erweitern. Der Kontrast zwischen Tradition und Moderne könnte nicht grösser sein. Die traditionelle madrilenische Küche ist deftig und fleischlastig. Nirgendwo bekommt man sie eindrücklicher serviert als im altehrwürdigen «Sobrino de Botín». Das Restaurant wurde 1725 gegründet. In den engen, verwinkelten, holzverkleideten Räumen hat man das Gefühl, man befinde sich auf einer alten Handelsfregatte. Die Spezialität des Hauses ist Spanferkel aus dem Holzofen. Und dieser Ofen wird seit bald 300 Jahren durchgehend beheizt! Spanien ist aber gleichzeitig auch das Epizen trum der avantgardistischen, experimentellen Gastronomie. Das kannman gut im«StreetXO» erleben. Ein wild brummender Ableger von Dreisternekoch David Muñoz, der mehrere Fu- sion- und Avantgarderestaurants betreibt. Die Kellner tragen Zwangsjacken wie aus der Psy- chiatrie, die Einrichtung ist eine Mischung aus Post-Punk-Ambiente, Bar und Tanzclub. Ent- sprechend ohrenbetäubend laut ist die Musik. Die Stimmung wuselig und aufgepeitscht. Und das Essen ist, wenn auch gut zubereitet, teil- weise eine Herausforderung, weil man sich auf so sinnfremde wie kreative Dinge einlassen muss, wie Saucen auf einem Papierset mit den Fingern aufzulecken. «Sorry, kein Besteck zu diesem Gang, der Chef will es so.» Mega entspannt dagegen das angesagte «Fismuler». Zeitgemässe Küche aus lokalen, saisonalen Zutaten. Das ganze Restaurant sieht aus wie eine Remise, in der Lebensmittel ein- gemacht und konserviert werden. Der Service und das Seating ausgesprochen casual, aber sehr überzeugend. Spot an Gutes Licht ist immer noch ein oft unerkanntes, wenig bewusst eingesetztes Element, um das Wichtigste überhaupt im Restaurant hervorzu- heben: die Speisen und die Getränke. Da können noch so viele Überlegungen in ein stimmungs- Madrid I: das gepflegte und entspannte «Fismuler».
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