Durst 08/2019
Hauptgang 13 Slow Food Schweiz engagiert sich für eine bewusste und nachhaltige Ernährung. Welche Strategie verfolgen Sie dabei? Alexandre Fricker: Es ist möglich, anders einzukaufen und sich anders zu ernähren. Das wollen wir propagieren. Wir sind eine weltweite Bewegung von Menschen, die das aktuelle Food-System bekämpfen und neue Trends auf- zeigen. Weil Produkte aus der nahen Umgebung eine wichtige Rolle spielen, unterstützen wir kleine Produzenten. Wir setzen uns für einen Hersteller von Randen-Ketchup ebenso ein wie im Rahmen von «Arche des Geschmacks» für bedrohte Produkte wie die Brunnenkresse aus Wynau. Wichtig sind auch die Presidi-Produkte wie der Vacherin Fribourgeois aus Rohmilch. Sie werden auf ursprüngliche Weise herge- stellt, und wir eröffnen ihnen neue Märkte. Wie tun Sie das? Wissenstransfer ist wichtig. Heute wollen die Leute wissen, woher die Lebensmittel kommen und wie sie produziert worden sind. Und dann geht es natürlich darum, die Produzenten mit Abnehmern zu vernetzen. Zehn Presidi-Pro- dukte sind bei unserem Partner Coop erhält- lich, und auch die Gastronomie engagiert sich. 50 Köche aus der Gastronomie machen bei unserem Projekt «Allianz der Köche» mit. Warum raten Sie Gastronomiebetrieben, auf Slow Food zu setzen? Weil immermehr Gäste gute, saubere und faire Lebensmittel schätzen und auch bereit sind, dafür etwas mehr zu bezahlen. Wer Arche- und Gut, sauber und fair: So sollen Lebensmittel sein. Dafür setzt sich die weltweit tätige Orga nisation Slow Food ein. Sie hat ihren Ursprung in Italien und in den 1980er-Jahren. Später wur- den in vielen Ländern Slow-Food-Organisatio- nen wie bei uns Slow Food Schweiz gegründet. Sie fördern die biologische Vielfalt sowie eine umweltfreundliche Lebensmittelpro- duktion und bringen regionale Produzenten mit Köchen und Konsumenten zusammen. www.slowfood.ch S L OW F OOD S CHWE I Z Presidi-Produkte auf der Speisekarte hat und dies auch gut kommuniziert, kann damit neue Gäste gewinnen. Oder wie wäre es mit einem Vegi-Tag pro Woche? Ich bin überzeugt, dass dies auf eine positive Resonanz stossen würde. Was tut Slow Food imGetränkesektor? Weil wir seltene lokale Rebsorten unterstützen, gibt es auch beim Wein Arche-Produkte. Und wir stellen erfreut fest, dass die Bierkultur in der Schweiz hoch entwickelt ist und die Vielfalt an Bieren in den letzten Jahren zugenommen hat. Viele Hobby-Brauer produzieren mit Lei- denschaft interessante Biere, und auch mittle- re und grössere Brauereien setzen vermehrt auf Vielfalt und alte Rezepte. Viele Experten raten zu weniger Fleisch konsum. Als wie problematisch erachten Sie Fleisch punkto Nachhaltigkeit? Die Fleischproduktion ist tatsächlich eines der Hauptprobleme, wobei wir in der Schweiz zum Glück strenge Auflagen haben. VomTier sollten möglichst alle Teile verwendet werden und nicht nur die Filetstücke. Auch hier stellen wir einen Trend fest: Das Wohlbefinden der Tiere ist den Menschen zunehmend wichtig. Apropos Trend: Grüne Parteien sind auf demVormarsch, junge Menschen gehen wegen des Klimawandels auf die Strasse… …und das kommt auch uns zugute. Der Zeit- geist spricht für uns. Als Slow Food Schweiz vor 35 Jahren gegründet wurde, war das noch anders. Damals wurden wir oft belächelt. Nutzen Sie diesen Trend auch politisch? Die Slow Food Politgruppe nimmt Stellung zu ernährungspolitischen Fragen, sie unterstützt Initiativen und organisiert Debatten. Wir haben zudem beschlossen, die eidgenössische Volks initiative «Jugend + Ernährung» zu lancieren. Die Initiative fordert, dass Bund und Kantone Bildungsmassnahmen zum Thema Ernährung unterstützen. Überhaupt ist die Bildung ein wichtiges Standbein: Wir sind viel mit demSlow Mobil unterwegs und sprechen Kinder zwi- schen acht und zwölf Jahren an. Kinder sind die Zukunft. Wie werden wir uns in zwei, drei Generationen ernähren? Sicher bewusster, und wir werden weniger, da- für besser produziertes Fleisch essen. Kann man es punkto bewusster Ernährung auch übertreiben? Durchaus. Eine vegane Ernährung zum Bei- spiel kann zu gesundheitlichen Problemen führen, vor allem bei Kindern. Die kulinarische Tradition der Schweiz kennt viele tierische Produkte. Es gilt, den gesunden Menschen- verstand nicht aus dem Auge zu verlieren. Alexandre Fricker, Geschäftsführer von Slow Food Schweiz «Die Gäste wollen saubere und faire Produkte» Slow Food Schweiz setzt sich seit den 1990er-Jahren für gute, saubere und faire Lebensmittel ein. Im DURST-Gespräch sagt Geschäfts führer Alexandre Fricker, wie man Kleinproduzenten von seltenen Produktenmit Abnehmern vernetzt, dass die Bierkultur in der Schweiz hoch entwickelt ist und warum die Gastronomie profitiert, wenn sie auf Slow Food setzt. «Das Wohlbefinden der Tiere ist den Menschen zunehmend wichtig.» Alexandre Fricker
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