Durst 08/2019

10  Hauptgang Handwerk hat goldenen Boden: Die Gäste verlangen zunehmend nach Craft-Spezialitäten Immer mehr Menschen sehnen sich nach Entschleunigung und haben offene Sinne für handwerklich hergestellte Speisen und Getränke. Sie sind bereit, für arbeitsintensiv produzierten Slow Food und Craft-Biere etwas mehr zu bezahlen. Dabei geht es ihnen um Nachhaltig- keit, aber auch um das Entdecken neuer Geschmäcker. Innovative Gastronomen haben sich auf diesen Trend eingestellt und Convenience- Produkten abgeschworen. Sie verwöhnen ihre Gäste mit einem Angebot, das dank viel Handwerk einen goldenen Boden hat. S chneller, billiger, funktioneller, exoti- scher, immer und mehr: Das waren jahrzehntelang die treibenden Wünsche der Konsumenten – oder was Produzenten, Handel und Gastronomie dafür hielten», schreibt die Ernährungswissenschaftlerin und Foodtrendforscherin Hanni Rützler. Sie wählt bewusst die Vergangenheitsform und sagt, was die Gegenwart der Lebensmittelproduktion prägt: die De-Industrialisierung. Davon ist auch die Gastronomie betroffen. «Von wo kommt das Hühnerfleisch?», fragt eine junge Frau die Servicefachangestellte und rümpft die Nase, als sie die Antwort hört: Nein, auf Poulet­ brust aus China habe sie keine Lust. Immer mehr Gäste legen Wert darauf, wie und wo die In Charmey wird der Vacherin Fribourgeois noch aus Rohmilch hergestellt . Trend in der Gastronomie Speisen und Getränke produziert werden. Für sie haben Begriffe wie Craft und Local einen hohen Stellenwert. Mit viel Handwerk sollen die Lebensmittel hergestellt werden und wenn möglich ganz in der Nähe. Im Trend liegt aber auch das Entdecken neuer Aromen, was spezi- ellen und nachhaltig hergestellten Produkten aus fernen Ländern zu einem Boom verhilft. Vacherin Fribourgeois aus Rohmilch Für Mattias Roock vom Fünf-Sterne-Haus «Castello del Sole» in Ascona sind es vor allem lokale Produkte, die für Nachhaltigkeit stehen. «In Australien werden auch Bio-Produkte her- gestellt. Sie in die Schweiz zu importieren, macht für mich aber keinen Sinn», sagt der Chefkoch und verweist darauf, dass Slow Food auch die Pflege von alten Rezepten und Her- stellungsweisen beinhaltet. In Charmey zum Beispiel produziert André Remy den Vacherin Fribourgeois mit Rohmilch. Das war früher üblich, wird heute aber kaum noch praktiziert. Die Organisation Slow Food Schweiz vernetzt Produzenten wie ihn mit Ab- nehmern. Auch viele Gastronomen haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen auf Slow Food. Mattias Roock: «Mit viel Handarbeit pro- duzierte Rohstoffe und Gerichte sind arbeits­ intensiv und in einem Hochpreisland wie der Schweiz teuer. Gerade im gehobenen Gastro- nomiebereich sind aber zumGlück immermehr Gäste bereit, dafür etwas tiefer in die Tasche zu

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