Durst 07/2019

10  Hauptgang «Die Gastronomie sollte ihr vielfältiges Angebot den Touristen noch besser kommunizieren» Wie holt man Touristen ins eigene Lokal? Mit Gästen aus welchen Ländern kann die Gastronomie am meisten Umsatz machen? Was sollte man ihnen bieten? Welche neuen Zahlungsmöglichkeiten sind gefragt? War- um sind Schweizer Städte so attraktiv? Und weshalb sollte man im Lokal nebenan einen Partner und nicht einen Konkurren- ten sehen? Jürg Stettler leitet das Institut für Tourismuswirtschaft an der Hochschu- le Luzern. Im Gespräch mit DURST gibt er interessante und gewinnversprechende Antworten auf all diese Fragen. 2018 waren in der Schweiz 3,8%mehr Hotelübernachtungen als imVorjahr und ein Gästezuwachs aus fast allen Ländern zu verzeichnen. Auch in der letzten Wintersaison gab es ein leichtes Plus. Ist die Talsohle durchschritten? JürgStettler: DasWachstumwar in den letzten zwei Jahren tatsächlich überdurchschnittlich, was auch auf die Wetterbedingungen zurück- zuführen ist: Der Sommer 2018 war schön und heiss, im Winter gab es dann früh Schnee, ge- folgt von längeren Schönwetterperioden. ImSommer profitiert unser Tourismus also von der globalen Klimaerwärmung? Ja, denn im Hochsommer ist es in den klassi- schen Badedestinationen zu heiss. Da bevorzu- ge ich die Sommerfrische in den Bergen statt den Grill in Rimini. Dass die Talsohle tatsächlich durchschritten ist, hat aber mit sehr vielen Faktoren zu tun. Zum Beispiel damit, dass sich der Franken auf höherem Niveau stabilisiert hat. Und natürlich mit der Stabilität und der Vielfalt unseres Landes, der unvergleichlichen Erlebnisdichte, den Bergen, den Seen, den vier Sprachregionen und der vielfältigen Kulinarik. Geht es auch in Zukunft aufwärts? Die weltweiten Ankünfte werden sich laut der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) bis 2030 von heute 1,4 Milliarden auf 1,8 Milliarden erhöhen. Davon wird auch die Schweiz profitie- ren – vorausgesetzt, dass sich die Weltwirt- schaft einigermassen stabil entwickelt und kei- ne grösseren politischen Konflikte entstehen. Auch aus Deutschland, England und den Beneluxstaaten kommen wieder mehr Gäste. Ist der Frankenschock überwunden? Es kommen zwar erfreulicherweise tatsäch- lich wieder mehr Gäste aus Europa, aber das Wachstum aus den Nahmärkten ist deutlich weniger gross als aus den Fernmärkten. Das grösste Plus ist bei den Gästen aus den USA, Südostasien und den Golfstaaten zu verzeichnen. Was bedeutet dies für den Schweizer Tourismus? Gäste aus den Golfstaaten sind interessant, denn sie übernachten in teuren Hotels, bleiben länger, geben viel Geld aus, konsumieren breit und haben vielseitige Interessen. Sie besuchen auch weniger bekannte Orte und sind oft in kleinen Gruppen unterwegs. Sie anzusprechen, ist für die Gastronomie eine Chance. Die Araber gehören zu den anspruchsvolleren Gästen und wollen nur bedingt einheimische Speisen. Die US-Amerikaner geben in den Ferien ebenfalls viel Geld aus, sie sind kulinarisch aber offener und meistens Individualreisende. Sie bevorzu- gen die gehobene Gastronomie und nehmen sich fürs Essen viel Zeit. ImGegensatz zu den Asiaten? Vor allem die Chinesen wollen sich schnell und billig verpflegen. Hotels und Restaurants haben sich darauf spezialisiert, sie leben von der Mas- se. Wenn mehr Gäste aus Asien und aus Indien kommen, kann die klassische Gastronomie da- von aber nicht sehr stark profitieren. Immer mehr Gäste reisen in Städte. Warum? Die Städte sind weltweit im Trend, der Städte- tourismus boomt auch bei uns. Zürich, Genf und Basel haben Flughafenanbindungen und dienen so als Tor in die Schweiz. Wenn mehr Touristen aus Fernmärkten kommen, profitie- ren die Städte überdurchschnittlich. Eine Stadt wie Zürich ist hoch attraktiv. Aus Sicht eines Chinesen ist das eine pittoreske Kleinstadt und Luzern ein grösseres Dorf. Von den Städten aus unternehmen die Touristen dann Ausflüge Jürg Stettler. Auf ein Bier mit Jürg Stettler

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