Durst 04/2019
28 Markt & Trends dazwischen. Wir sind alle gut beraten, einen Schritt zurückzutreten, das grosse Ganze an- zuschauen und zu versuchen, imKleinen Dinge zu verbessern. Wenig später rief mich eine weitere Kollegin an, um mir zu sagen, dass Marcel, der Kleinbauer neben ihr, gerade wieder Wullsäuli geschlach- tet hatte. Ob ich jetzt nicht mal von demausser- gewöhnlichen Fleisch wolle? Den Tieren ginge es dort prächtig, weil sie so viel Auslauf und bestes Futter hatten. Natürlich wollte ich. Denn so geht meine Vor- stellung einer idealen Food-Welt: Jeder holt sich alles, was er braucht, direkt beim Erzeuger im nahen Umfeld. So strampelte ich sonntags ein- einhalb Stunden mit dem Rennvelo zu seinem Hof hoch. Wir nahmen uns Zeit für einen Rund- gang und sagten den Tieren Hallo. Die eigene kleine Welt besser machen Den acht zufriedenen Angus-Rindern, die das ganze Jahr auf der Weide verbringen und den ultraschönen und unheimlich wunderfitzigen Appenzeller Geissen mit ihrem listigen GT- Streifen im Gesicht. Die Edelstücke vom Wull- säuli hatte er längst verkauft. Aus Bäggli und Bauch macht er Speck. Für mich blieben noch wenige Koteletts und Schulterbraten. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich noch nie besseres Schweinefleisch hatte. Und es hat etwas in mir ausgelöst. Wenn Fleisch, möchte ich eigentlich kein anderes mehr als solches, direkt vomErzeuger. Daraus mache ich keine Religion, aber wenn wir alle ein wenig mehr in diese Richtung denken und handeln würden, wären schon ganz viele Pro bleme zum Thema gelöst. nicht weniger problematisch, weil andere Dinge noch problematischer sind. Aber Frau Seiser hat im Grunde recht. Die Orientierungs losigkeit ist gross und das Verteufeln von Pro- dukten gerade sehr im Trend. Eine Sau durchs mediale Dorf treiben Denn so ist es doch: Gefühlt jede Woche wird wieder eine Sau durchs mediale Dorf getrie- ben. Das Muster ist immer schwarz-weiss. Da hochproblematisch, hier super gesund. Und die Diskussionen darüber sehr anstrengend, weil hoch emotional, gering faktenbasiert und oft geführt von Fanatikern mit religiösem Eifer. Die einen sind verklärt und meinen, mit einem Food-Trend die Welt und sich selbst zu retten. Die anderen hacken auf einzeln herausgepick- ten Lebensmitteln oder Konsumverhalten her- um, als würde die Welt untergehen. Die Wahr- heit und vor allem die Umsetzbarkeit in unserem Alltag liegen vermutlich irgendwo K ürzlich bat meine hochgeschätzte ös- terreichische Kollegin und Kochbuch- autorin Katharina Seiser auf Facebook umetwas weniger Hysterie beimThema Essen. Sie hat sich einen Namen gemacht in Sachen Saisonalität und ist eine verlässliche Instanz, wenn es um Bio, vernünftige Ernährung und nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln geht. Sie schrieb: «Könnte man bitte die Avoca- do im Dorf lassen? Jede Wurstsemmel, jedes Schnitzel, jede Topfengolatsche, jede Schoki ist bedenklicher in ökologischer, sozialer, Tier- haltungs-Hinsicht als eine spanische Bio-Avo cado dann und wann zur Saison. Aber dafür müsste man eben differenzieren.» Mein ironischer Kommentar dazu war: «Ist die mediale Halbwertzeit von Avocados nicht eh schon durch? Jetzt müssen wir dringend über plastikverseuchtes Fleur de Sel reden, weil sehr bös.» Natürlich macht es eine proble matische Sache (was die Avocado vielfach ist) Claudio Del Principe schreibt über Hysterie beim Thema Essen Das gute Essen liegt so nah – wenn das Wullsäuli in der Region ein gutes Leben hatte Ja, es gibt jede Menge Lebensmittel, deren Produktion und Konsum problematisch sind. Jeden Tag lesen und hören wir, wie ungesund, unverträglich, unmoralisch und unfair einzelne Lebensmittel sind. Dabei ist es vor allem der Ton, der die Diskussion darüber mehr und mehr vergiftet. Wollten wir keine Fehler mehr machen, müssten wir uns vermutlich nur noch von Luft und Liebe ernähren. Kolumne «Die ideale Food-Welt: Jeder holt sich alles, was er braucht, im nahen Umfeld.» Ohne Fleisch lässt sich beson- ders nachhaltig speisen. Claudio Del Principe empfiehlt das im Brandstätter-Verlag erschiene- ne Buch «Immer schon vegan» von Katharina Seiser. Es bein- haltet 70 geschmackvolle und immer schon rein pflanzliche Rezepte aus über 20 Ländern – ein veganer Schatz. DURST ver- lost drei Bücher «Immer schon vegan». So machen Sie mit: Senden Sie Ihre Kontaktdaten (Vorname, Name und Gastrono miebetrieb) sowie das Stichwort «Vegan» per Fax an 058 123 42 80 oder per E-Mail an durst@fgg.ch . Einsendeschluss: 10. April 2019. E I N V EGA NER S CH AT Z Verlosung
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