Durst 02/2019

22  Branche&Wissen Claudio Beretta, Präsident des Vereins Foodwaste.ch «Gäste wissen, dass sie mit einer kleineren Menukarte die grösseren Könige sein können» In der Schweiz werden jährlich Lebensmittel im Wert von mehreren Milliarden Franken verschwendet. Der Verein Foodwaste.ch sensi- bilisiert die Bevölkerung, sorgsamer mit Nahrungsmitteln umzugehen. Foodwaste.ch-Präsident Claudio Beretta sagt, welche gezielten Massnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung die Gastronomie ergreifen kann. Gemäss neuester Schätzung werfen Gastro­ nomen rund 14 Prozent der Nahrungsmittel fort. Was können sie dagegen tun? Claudio Beretta: Wir sehen in der Schweiz schon mehrere Pionierbeispiele, wie Gastro- nomen gegen Food Waste kämpfen. Die Mass- nahmen können ganz unterschiedlicher Art sein. Ein möglicher Lösungsansatz wären klei- nere Menukarten. Ist die Vielfalt der Karte klei- ner, ist auch der Anteil an Food Waste erfah- rungsgemäss kleiner. Eine andere Möglichkeit wäre, die Portionen kleiner zu halten, jedoch einen Nachschlag zu garantieren. Darf man Gastronomen anschwärzen, zu viele Lebensmittel zu verschwenden? Auf keinen Fall. Bei Food Waste geht es nicht darum, jemanden explizit zu verurteilen. Food Waste geht uns alle an. Das Problem kann nur von uns allen gemeinsam gelöst werden. Sind die Gastronomen mit der Problematik von Food Waste überhaupt vertraut? Leider stellen wir immer wieder fest, dass dies- bezüglich ein grosser Nachholbedarf besteht. Gerade in der Ausbildung sollten Gastronomen Food Waste in der Gastronomie. vermehrt auf die Lebensmittelverschwendung sensibilisiert werden. Gastronomen sollten den ökologischen Wert der Nahrungsmittel besser kennen. Dann würdeman automatisch weniger Lebensmittel verschwenden. Erwarten die Gäste heutzutage nicht, dass Gastronomen verantwortungsvoller mit Lebensmittel umgehen? Bei dieser Frage entsteht ein Konflikt. Umwelt- probleme, Klimawandel und unser Umgangmit Ressourcen werden heute stärker thematisiert als vor Jahren. Das weckt Hoffnungen. Ande- rerseits stösst dieser Trend auf die moderne Konsumgesellschaft. Die Industrie animiert uns regelrecht, immer mehr zu konsumieren. Das führt unweigerlich zur Konfliktsituation. Der Gast versteht sich weiterhin als König und hat Erwartungen an die Küche. Ja, aber die Gäste wissen sehr wohl, dass sie mit einer kleineren Menukarte die grösseren Könige sein können. Kann man den finanziellen Schaden durch Food Waste in der Gastronomie beziffern? Das Bundesamt für Umwelt hat eine Schätzung veröffentlicht, dass ein Vierpersonen-Haushalt im Jahr Nahrungsmittel im Wert von 2000 Franken verschwendet. Eine Angabe für Gas­ tronomiebetriebe gibt es nicht. Die Zahl muss jedoch um das x-Fache höher sein. «Wir verurteilen niemanden – Food Waste geht uns alle an.» Der Verein Foodwaste.ch will die breite Öffent- lichkeit über die Problematik der Lebensmittel- verschwendung informieren und aufklären. Dazu liefert der Verein Denkanstösse zu innovativen Lösungsansätzen. Claudio Beretta ist Präsident von Foodwaste.ch. Aktuell schreibt er an sei- ner Doktorarbeit zum Thema Umwelteffekte der Lebensmittelverschwendung in der Schweiz. www.foodwaste.ch C L AUD I O BER E T TA

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