Durst 08/2018
Hauptgang 11 ter anderem schon in Australien und auf Bali, in den USA, in Mittelamerika, Hongkong, Thai- land und Shanghai. Aus der Ferne kommen sie im Vorfrühling jeweils mit frischen Ideen zu- rück. Deshalb finden sich auf der «Rössli»-Karte nebst Traditionellem auch exotische Speisen wie Yucatan mit tropischen Früchten, Ceviche und Hawaiian Poke. «Es wäre schön, wenn dereinst eine fünfte Generation den Familienbetrieb übernehmen würde», sagt «Rössli-Hans» Christen. Lachend erwidert seine Tochter Angela, zurzeit hätten weder sie noch ihre Schwester Zeit, um an Nachwuchs zu denken. Shila ergänzt: «Für längere Streite haben wir zum Glück gar keine Zeit.» Vater Hans und seine Schwester Agnes sind fast jeden Tag im «Rössli» anzutreffen. Sie hatte früher auch mitgearbeitet, er steht noch heute oft in der Küche und verwendet viel Zeit und Herzblut darauf, die Stammgäste zu betreuen. «Unser Vater hat natürlich auch seine Meinung. Wir entscheiden in der Regel zu dritt», sagt Angela. Fünfte Generation? Neuneinhalb Monate im Jahr arbeiten die Christen-Schwestern fast pausenlos. Dafür gönnen sie sich im Winter während der zehn- wöchigen Betriebsferien eine längere Auszeit. Wer nun glaubt, die Christens gingen sich in den Ferien aus demWeg, liegt falsch. Gemein- sam mit ihrem Vater, der in jungen Jahren auf der ganzen Welt unterwegs gewesen ist, rei- sen die Töchter in ferne Länder. Sie waren un- «Wir entscheiden in der Regel zu dritt.» Angela Christen Grosse Bedeutung für die Wirtschaft Familienbetriebe Ihr Anteil nahm in den letzten 20 Jahren zwar ein wenig ab, trotzdem sind die Fami lienunternehmen noch immer das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. In der Gastro- nomie und der Hotellerie sind Familien betriebe besonders zahlreich. L aut einer Studie der Universität St.Gal- len lag der Anteil der Familienunterneh- men in der Schweiz 2004 bei 88 Prozent. Im Jahr 2016 ergab eine Umfrage, dass dieser Wert auf gut 75 Prozent gesunken ist. Zwei Drittel aller Firmen sind hierzulande also noch immer Familienbetriebe. In absoluten Zahlen bedeutet dies: In der Schweiz gibt es rund 375000 KMU-Familienbetriebe, in denenmehr als anderthalb Millionen Menschen arbeiten. Damit sind die Familienunternehmen eine tra- gende Säule der Schweizer Wirtschaft. Das Problem der Nachfolge Familienbetriebe sind nicht nur in der Katego- rie KMU in der Mehrzahl. Auch grosse börsen- kotierte Schweizer Unternehmen befinden sich oft in Familienhand. In der Gastronomie und der Hotellerie liegt die Zahl der Familien- betriebe leicht über dem Durchschnitt. Das ergab eine Umfrage der Credit Suisse von 2014. Die Umfrage zeigt auch, was die Fami lienunternehmen am stärksten beschäftigt: die Nachfolgeregelung. Weil die Babyboomer-Generation seit einigen Jahren das Pensionsalter erreicht, ist diese Problematik zurzeit besonders ausgeprägt – auch in der Gastronomie und der Hotellerie. In dieser Branche kommt hinzu, dass das harte Umfeld und die hohen Präsenzzeiten viele jun- ge Berufsleute davon abhält, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Vom Familienbetrieb in den Bundesrat Johann Schneider-Ammann hatte selbst einen Familienbetrieb geleitet, ehe er in den Bundes- rat gewählt wurde. BeimBesuch des Familien- unternehmens Camille Bloch sagte der Wirt- schaftsminister, in Familienbetrieben würden ihm «immer wieder Teamgeist, Verantwor- tungsbewusstsein und Weitsicht» begegnen. Seit Januar 2013 führt Johann Schneider-Ammanns Sohn Hans-Christian Schneider das im Jahre 1869 von Jakob Ammann gegründete Traditionsunternehmen mit Sitz in Langenthal in der sechsten Generation. Auf dem Bild steht links Gründerin Hedwig Christen. Das kleine Mädchen ist Agnes, die Tante von Angela und Shila Christen. Die Christen-Töchter mit Vater Hans und Tante Agnes in der Gaststube.
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