Durst 06/2018
People&Unterhaltung 19 Märitsalat vom Belpberg, Gerzensee-Brie, Wichtracher Schweinshaxe, gebrannte Crème mit Münsinger Meringue: Im Gasthof Bären in Gerzensee tischt Gastgeber und Küchenchef Michel Brossard am liebsten saisonale Produkte aus der Region auf. Der vielfach aus gezeichnete Spitzenkoch erklärt, warum es dazu gesunden Menschenverstand braucht und was er unter «Lifestyle vom Land» versteht. Sie wollen Produkte anbieten, die nicht weiter als 20 Kilometer von Gerzensee entfernt gewachsen sind. Ist das einfach? Michel Brossard: Nein, das ist es nicht. Wer auf ein solches Konzept setzt, sollte es mit ge- sundem Menschenverstand realisieren. Wenn ich aus Eicheln Kaffee machen würde, käme das nicht gut an. Also gehe ich auch mal in die Prodega, zum Beispiel für den Kaffee. Poulet aus China geht natürlich nicht, aus dem rund 30 Kilometer von Gerzensee entfernten Kappe- len darf es aber kommen. Das Gleiche gilt fürs Bier. Das Gurten Bäre Gold wird zwar in Rhein- feldengebraut, espasst aberwiedie saisonalen Spezialitäten von Feldschlösschen bestens zu unserem Konzept. Viele Ihrer Produkte stammen tatsächlich aus dem engsten Umfeld. Wie finden Sie die? Wir arbeiten eng mit Bauern und anderen An- bietern aus der Region zusammen. Zudem wohne ich in Gerzensee, und ich gehe oft nach draussen. Das sollten alle Köche tun, denn in der Küche sieht man nicht, was gerade wächst. Und die Gäste, wissen die, was draussen gerade wächst? Nein, heute wissen viele Leute nicht mehr, wel- che saisonalen Produkte aktuell sind. Im Früh- ling reklamierte ein Gast, im Saisonsalat habe es weder Nüsslisalat noch Rucola. Ich erklärte ihm, für Nüssli sei es zu spät und für Rucola zu früh. Saisonale Produkte kommen aber gut an, und der Gast hat auch Verständnis, wenn es am «Wir Köche sollten nach draussen gehen – in der Küche sieht man nicht, was gerade wächst» Auf ein Bier mit Michel Brossard Gastgeber und Küchenchef Michel Brossard. Gerzensee liegt am Südhang des Belpbergs. Hier ist der Gasthof Bären seit weit mehr als hundert Jahren eine feste Institution. Seit 2011 wird er vonMichel Brossard geführt. Der Autor des Buchs «Kulinarischer Kalen- der» hat 2003 an der Kochkunstausstellung Basel Gold und 2004 an der Olympiade der Köche Silber gewonnen. Als Gastgeber und Küchenchef im «Bären» legt er grossen Wert auf Produkte aus der Region. www.baeren-gerzensee.ch GA S T HO F BÄ R EN , GER Z EN S E E Samstagabendmal keine Kalbsleber mehr hat. Heute dürfen leicht verderbliche Saisonpro- dukte auch mal ausgehen, beim Schweinsfilet sollte dies natürlich nicht passieren. Was empfehlen Sie Kollegen, die auf regionale Saisonprodukte setzen wollen? Ihre Speisekarte sollte nicht allzu umfangreich sein. Unser Angebot besteht aus vier Vorspei- sen, zwei Suppen, acht Hauptgängen und einem Gourmetmenü. Dieses Angebot wechseln wir alle zwei Monate aus, manchmal auch öfter. Wie stehen Sie zumBio-Label? Der Gast legt keinen Wert darauf, dass alles hundertprozentig bio ist. Ihm reicht es, wenn das Rüebli vom Belpberg kommt. Der «Bären» wirbt mit demSlogan «Lifestyle vom Land». Was verstehen Sie darunter? Vorne sitzen Wanderer, Jasser, Arbeiter und Bauern in Gummistiefeln amalten Stammtisch und stossen mit einer Stange für vier Franken an. Im gepflegten Saal nebenan geniesst eine chic gekleidete junge Familie aus Bern ein Gourmetmenü für 109 Franken. Das sind die Gegensätze, die das Leben spannend machen. Das verstehe ich unter «Lifestyle vom Land». Und das bringen Sie alles unter einen Hut? Ja, denn wir halten die Preise für das Offenbier, den Kaffee und das Mittagsmenü für alle Gäste bewusst tief. Und wenn ein Speisegast beim Eintreten zuerst eine johlende Stammtisch- gruppe antrifft, muss man ihm das Konzept kurz erklären. Die Gäste sehen in den Gegen- sätzen eine Bereicherung und keine Belästi- gung. Sie geniessen den «Lifestyle vom Land».
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